8. Dezember 2023

Wenn man mich fragen würde, welchen Vertragstyp ich in den letzten Jahren als Projektjurist am häufigsten geprüft habe, fällt die Antwort leicht:

Geheimhaltungsvereinbarungen / NDA´s - es waren deren mindestens Hunderte -, lieber anonymer Fragesteller.

Entweder habe ich das Glück, für Unternehmen zu arbeiten, die eine hohe Affinität zu möglichen Kooperationen, gemeinsamen Entwicklungen, Neuverträgen, etc. haben oder es ist tatsächlich überall so: NDAs sind nicht mehr wegzudenken und werden ubiquitär eingesetzt.

Das ist in allererster Linie eine persönliche Feststellung und keinesfalls ein Urteil.

Wenn man mich nachts wecken und mir ein x-beliebiges NDA vorhalten würde, kann ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit innerhalb weniger Minuten aus dem Effeff sagen, ob dieser NDA der Üblichkeit entspricht bzw. welche Regelungen fehlen oder ergänzt werden müssen, damit ein ordnungsgemäßer beidseitiger Schutzumfang besteht. Ich halte das keinesfalls für eine besondere Gabe, sondern gehe vielmehr davon aus, dass es den meisten anderen (Wirtschafts-)Juristen ähnlich gehen dürfte.
Hätte ich einen Legal-Job, der ausschließlich die Erstellung, Prüfung und Verhandlung von NDA´s vorsieht, müsste ich wohl kündigen, um einer möglichen Schlafkrankheit zuvorzukommen.

Gott sei Dank kommt es nicht so weit. Vielmehr ist das Berufsbild eines Projektjuristen so vielfältig wie kaum eine andere Legal-Tätigkeit.

Zudem haben viele Unternehmen den repetitiven Charakter von NDAs erkannt und lassen fremde NDAs mit KI prüfen, nutzen ausschließlich neutrale NDA´s, um Verhandlungszeiträume gering zu halten und erstellen Richtlinien, mit denen der jeweilige Fachbereich NDAs gleich selbst verhandeln und verwalten kann.

Aber man lernt ja nicht aus. Ab und an gibt es dann doch mal einen Aspekt, der neu ist. So zuletzt in einem großen Unternehmen, das bereits aufgrund seiner Größe und Produktvielfalt einzelne Abteilungen im Unternehmen voneinander abschotten muss, damit keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen die Abteilungen wechseln (Stichwort: "Need-to-know"-Basis).

Wenn dann durch unvorhergesehen Ereignisse der Fall eintritt, dass Abteilung A mit Abteilung B zusammenarbeiten soll, damit ein Projekt, welches Abteilung B mit einem Kunden gemeinsam entwickelt, noch rechtzeitig fertig wird, das Unternehmen zwar ein NDA mit dem Kunden geschlossen, intern aber Abteilung A kontaminiert hat, weil Abteilung A ansonsten eventuell geheimhaltungsbedürftige Informationen, die Abteilung B vom Kunden erhält, auch erhalten und für wettbewerbsähnliche Produkte verwenden könnte; außer Abteilung A aber niemand da ist, der Abteilung B bzw. dessen Kunden unterstützen könnte und alle Beteiligten das Projekt rechtzeitig fertig bekommen wollen, der Kunde aber sein know how nicht verlieren und das Unternehmen nicht in die Haftung kommen möchte, dann - ja, dann - wird das Ganze wieder spannend.

Wer hat gesagt, dass NDA´s langweilig sind?!

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Aus dem Alltag eines Projektjuristen
Legal Xmas

Florestan Goedings

Dr. Florestan Goedings, LL.M. ist Rechtsanwalt und Mediator.
Fachanwalt für Informationstechnologierecht sowie Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.